Nützliches und unnützes Wissen für alle die mit dem Auto in Albanien unterwegs sind - oder: Warum reitet die Ziege auf dem Staubsauger?
- elisabt5
- 29. Jan.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 31. Jan.

Weihnachten ist vorbei, der Familienbesuch wieder abgereist und außer kleineren Baustellen, an denen wir immer mal wieder ein bisschen herumschrauben, passiert gerade nicht viel, außer dass wir aufs Frühjahr warten. Daher ist jetzt mal Zeit für einen etwas anderen Blog.
Das Bild oben ist das Logo einer der zahlreichen Tankstellenfirmen, die es in Albanien gibt - gefühlt mindestens 3x soviel wie bei uns in Deutschland! Aber Albanien ist eben auch ein Land, in dem trotz hoher Spritpreise gerne und viel gefahren wird.
Ich tanke am liebsten bei Kastrati. Einerseits weil bei uns ganz in der Nähe eine kleine Filiale ist und wir hier möglichst unsere unmittelbaren Nachbargeschäfte für Einkäufe und Besorgungen nutzen, andererseits weil mir das Logo so gut gefällt.
"Was soll das eigentlich darstellen?", fragte Joris, der Exmann von Andrea, an einem der Weihnachtstage.
"Keine Ahnung, aber es sieht für mich aus, wie eine Ziege, die auf einem Staubsauger spazieren fährt", meinte ich.
Inspiriert wird mein inneres Bild zugegebenermaßen von den Erzählungen von Grazian, einem der Betreuer meiner Schwester, bei dem mein Gretchen ein neues Zuhause gefunden - und Erstaunliches gelernt hat! Gretchen war immer ein mega Staubsaugerschisser - heute sind sie und der Bodenstaubsaugroboter beste Freunde. Sie begleitet ihn, schaut ob er auch richtig sauber macht und fährt manchmal sogar mit! Wenn meine Katze also Staubsauger fährt, warum dann nicht auch eine Ziege.
Anlässlich meines letzten Besuchs in Kruja, hat sich das Rätsel allerdings anders aufgelöst...

Das auf dem Bild ist Georg Kastrioti, genannt Skanderbeg (albanisch Skenderbeu), ein Fürst und Militärkommandant, dessen Vater bereits, wie viele andere albanische Fürsten dieser Zeit auch, immer wieder wechselnde Allianzen mit den osmanischen Herrschern, den katholischen Venezianern und den orthodoxen Serben schmiedete und seinen Glauben je nach Verbündetem wechselte, wie andere das Hemd, doch insgesamt eroberungstechnisch immer eher auf der Verliererseite stand.
Sein Sohn, der Georg, war allerdings deutlich intelligenter und erfolgreicher. Zunächst Vasall der Osmanen, die das albanische Volk ziemlich ausbeuteten, schlug er sich schließlich auf die Seite der aufständischen Bauern und Grundbesitzer und es folgten viele außergewöhnliche Siege der Albaner, die den osmanischen Streitkräften hohe Verluste bescherten und schließlich zu ihrer Vertreibung führten und ihn zum albanischen Nationalhelden aufsteigen ließen. Dreh- und Angelpunkt seines Krieges war die Festung Kruja, weswegen man dort ein Museum und eine überlebensgroße Statue errichtet hat und die Souvenirshops zahlreiche Fanartikel verkaufen. Auch im immer wieder wechselnden Kräfteverhältnis von Italien mischte er kräftig mit und so war er schon zu Lebzeiten in ganz Europa bekannt, vom damaligen Papst als Verteidiger des Christentums hoch geschätzt und Gestalt in einer Vielzahl von Dramen und Büchern. Sogar Vivaldi schrieb eine Oper mit ihm als Titelhelden.
Aber zurück zum Ziegenproblem...
Was hat er da auf dem Kopf? Richtig, eine Ziege - und darunter natürlich keinen Staubsauger, sondern einen Helm. Das Tankstellenschild ist also eine grafisch äußert gelungene Reminiszenz an diesen Freiheitskämpfer und Kastrati wohl die moderne Version des Fürstengeschlechts Kastrioti.
Nächste Frage...
"Wie sind eigentlich die Straßen in Albanien?" gerne gestellt von Freunden und Bekannten, und eine Frage, die sich nicht so einfach beantworten lässt: Erst recht nicht, je länger ich nun schon hier bin.
Grundsätzlich gar nicht schlecht - von den Straßen, die man nur mit Allradantrieb und möglichst hohem Unterboden befahren kann mal abgesehen, aber diese dienen ja auch nicht dem schnellen Transport von Stadt zu Stadt. Hängt aber von der Jahreszeit und den Wetterverhältnissen ab. Je kühler und regnerischer, desto schneller und überraschender tauchen plötzlich bis zu 30 Zentimeter tiefe Einbrüche im Asphalt auf. Doch man weiß sich hier zu helfen! Nein, nicht mit der schnellen Bodenauffülltruppe, die die Löcher wieder flickt. Das dauert bisweilen Monate! Doch als Ortskundige kenne ich hier mittlerweile jedes alte Schlagloch und die neuen werden zumindest für einige Tage auffällig markiert, bis jeder, der hier wohnt und fährt, weiß, wo sie sind...


Auch ein Klassiker sind hier die Fahrradfahrer. Überwiegend seeehr aaaaalte Männer und auch nur auf ebenen Straßen. Hier spielt es keine Rolle, ob man links oder rechts oder in der Mitte, mit oder entgegen dem Verkehr fährt... oder auch gemütlich plaudernd nebeneinander... oder notfalls auch als Geisterfahrer auf der Autobahn...
Hier ist lediglich zu beachten, dass jedes Fahrrad IMMER Vorfahrt hat, fährt wie es sein Fahrer will und man auf alles vorbereitet sein sollte - also bitte nur im Schneckentempo und mit viel Vorsicht am schwankenden Gefährt vorbeimanövrieren.
Bei uns würde man natürlich ärgerlich hupen, dem tüdeligen Fahrer den Vogel zeigen - hier bitte nicht!
Was aber nun nicht heißen soll, dass hier nicht gehupt würde. Im Gegenteil! Laut, gerne, viel und meist völlig sinnlos. Vornehmlich in mehr oder weniger überraschenden Stausituation. Hier meine drei Favoriten:
Variante 1: Irgendjemand möchte gerne nach rechts oder links abbiegen. Da die Abbiegespur sich aber bis ins Endlose vor der Ampel staut, bleibt man einfach auf der Geradeausspur und hält dann vor der grünen Ampel um darauf zu warten, dass die Abbiegeampel grün wird. Überflüssig zu sagen, dass das empörte Hupen in der Schlange stur ignoriert wird, bis die gewünschte Ampel auch Grün zeigt.
Variante 2.: In Fahrt- und Gegenrichtung begegnen sich zwei Fahrer, die sich kennen und beschließen kurz anzuhalten und mit geöffneten Fenstern ein Schwätzchen halten. Diese Schwätzchen sind wichtig und gehören zum allgemeinen Höflichkeitsritual: Wie geht es dir? Gut, Danke, und selbst? Auch gut, und wie geht es deiner Frau, deinen Kindern? Alles bestens, und wie schaut es bei dir aus? Eigentlich auch gut, aber meiner Mutter geht es heute nicht so gut. Wie geht es deinen Eltern?....
Bis man die ganzen Verwandten abgefragt und beste Grüße ausgerichtet hat, das kann dauern. Auch hier ist das Hupen allgegenwärtig aber eigentlich auch sinnfrei...
Variante 3.: Stau auf der Autobahn. Von hinten brettert ein schicker SUV mit Lichthupe und akustischem Protest aufs Stauende zu. Klar, er hats eilig. Wir wären vermutlich alle gerne schneller. Aber irgendetwas lässt ihn glauben, dass seine akustischen und optischen Signale - ähnlich wie bei Mose und dem Roten Meer - auch diese Automassen auf wundersame Weise nach rechts und links weichen lassen. Also ebenso relativ sinnentleert.
Nichtsdestotrotz passieren nach meiner Wahrnehmung wenig Unfälle - und wenn dann meistens nur ein bisschen Blech - obwohl man die albanischen Fahrer in drei Kategorien einteilen kann: "Ich fahre wie ein wilder Henker" (20%), "Hilfe, ich kann eigentlich gar nicht fahren, aber ich muss nach X, Y, Z! Bitte passt auf!" (30%) und dann noch die, die so fahren, wie man es eigentlich erwartet.
Also bleibt unterm Strich als ermutigendes Fazit: Alles gut und easy hier, wenn man mit dem Auto unterwegs ist - nur bitte immer möglichst aufmerksam und konzentriert. Das Unerwartete ist hier vor allem für Ortsunkundige allgegenwärtig! Google Maps und andere Navigations-Apps haben mich schon des Öfteren in komplette Sackgassen manövriert und im Zweifelsfall nimmt man lieber den langen Stau auf der Hauptverkehrsstraße, als die Abkürzung, die vor einem zwei Meter tiefen Grabenbruch endet.
Zum Abschluss noch ein schönes Beispiel für "Überraschung!" und wichtiger Hinweis für alle, die uns irgendwann mit dem Auto besuchen:

Hier muss man abfahren, wenn man zu uns möchte. Im Gegensatz zu deutschen Autobahnen wird hier an der vorherigen Ausfahrt aber nicht jede nächste angekündigt. Und ja, mehr als 50 m hat man hier nicht, bevor man im 90° Winkel am Ende auf die Landstraße nach Spille abbiegen muss…
Herr Scheuer würde sich im Grabe umdrehen... ;)
Aber ca. 1 km vor der Ausfahrt kommt man an der Ziege auf dem Staubsauger vorbei, ab hier also runter vom Gas...


Kommentare